Oskar Roehler: Herkunft

Für mich ist „Herkunft“ tatsächlich ein starkes, berührendes, erschütterndes Zeitdokument von großer poetischer Kraft. Ehrlich, zornig und schonungslos beschreibt Oskar Roehler fiktional die Geschichte seiner Familie vom Großvater über seine Eltern bis hin zu seiner Enkelgeneration, in der ich sehr viel von meinem eigenen Erleben wieder finden konnte.

Die Geschichte handelt vor allem von der Vererbung von familiären Traumata über Generationen hinweg. Angefangen vom Kriegstrauma des Großvaters über das 68iger-Trauma der schriftstellernden Eltern bis hin zum Beziehungstrauma des Enkels Robert, der sich lieber „das Herz aus der Brust riss“ mit schwachsinnigen Drogendeals und Auslandsreisen, als seine Jugendliebe Laura zu heiraten.

Und nirgends habe ich mein Lebensgefühl als 20-jähriger (so um 1980 herum) besser beschrieben gesehen als in dem Abschnitt, wo Oskar Roehler über die Flucht junger Menschen nach Berlin herzieht: „Alle hielten sich für Genies. Der Weltschmerz war eine heilige Sache…Sie kamen, um auf dem Altar ihres eigenen Größenwahns ihrem dunklen Hang zur Schönheit zu opfern, zur Morbidität und zum Untergang. Es konnte nur unter dem Einfluss langer Nächte und harter Drogen geschehen…Das Ganze endete natürlich als Schuss in den Ofen. Und eine nicht unbeträchtliche Menge an Gehirnzellen war dabei draufgegangen.“

Das Buch endet für mich definitiv nicht hoffnungsfroh und versöhnlich, schon gar nicht mit einem Happy End. Roberts Eltern bringen sich um (wahrscheinlich aus einer Mischung von unerträglichem Selbstekel und Erfolglosigkeit), dafür rettet Roberts Großvater mit einer Nierenspende das Leben von Roberts Großmutter, und Roberts Jugendliebe Laura nimmt sich einen Sozialpädagogen aus Erlangen zum Freund, nachdem sie vergeblich auf die Rückkehr von Robert gewartet hat. Hoffen kann man dennoch auf eine Fortsetzungsgeschichte, denn es heißt von Robert: „Die verwickelten Umstände, unter denen ich Laura wenige Jahre später wieder sehe sollte, sind eine andere Geschichte.“


Oskar Roehler: Herkunft, Ullstein Taschenbuch 2013, 592 S., 9,99 €

zu dem Buch ist auch ein Film gedreht worden: "Quellen des Lebens" mit Meret Becker, Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu

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