Peter A. Levine: Sprache ohne Worte
Für alle Menschen, die einmal ein Erlebnis hatten, dass sie nicht verarbeiten konnten, hat Peter A. Levine mit „Somatic Experience (SE)“ eine revolutionäre neue Therapiemethode entwickelt, die den nächsten Entwicklungsschritt in der Behandlung mit Traumata einleitet. In „Sprache ohne Worte“ erzählt der Psychologe, Biologe und Physiker, wie er selbst durch einen Auto-Unfall traumatisiert wurde und aus eigenen Antrieb und mit Unterstützung einer freundlichen Passantin seine Schock-Starre überwinden und eine posttraumatische Belastungsstörung verhindern konnte. Aus diesem Erlebnis hat sich seine eigene Methode zur Trauma-Behandlung entwickelt.
Durch „Erziehung“ oder singuläre Ereignisse traumatisierte Menschen sind von ihrem Körper und von ihren Bauchinstinkten abgeschnitten. Sie fühlen sich von ihren körperlichen Empfindungen entweder überwältigt oder schalten sie rigoros ab. Sie sind in einer Art Dauererregungszustand, einer Endlosschleife aus Immobilität und Angst gefangen, die dadurch ausgelöst wurde, dass es eine ausweglose Situation gab, aus der es keine Lösungsmöglichkeit durch Angriff oder Flucht gab. Im Gegensatz zu den Tieren, die sich durch Zittern oder Schütteln aus ihrer Schockstarre befreien können, steht diese natürliche Reaktion dem Menschen nur eingeschränkt zur Verfügung. Die SE-Methode entkoppelt nun die Erstarrung von der Angst und führt den Körper „tröpfchenweise“ durch den nicht vollendeten Prozess des Bebens und Zitterns, sodass sich am Ende die Schockenergie entladen kann und der Körper seine organismische Selbstregulation wiedererlangt.
Da im traumatischen Erlebnis eine Entkörperung stattfindet, lernt der Traumaklient durch verkörpertes Gewahrsein, auf seine Körperempfindungen zu achten und sie von seinen Gefühlen, Außenwahrnehmungen und Gedanken zu unterscheiden. Dabei ist es wichtig, das Gewahrsein auf seine Körperempfindungen (gleichzusetzen mit dem „Felt Sense“ aus der Focusing-Therapie) nicht mit Selbstbeobachtung zu verwechseln. In der meist kopfgesteuerten Selbstbeobachtung neigt der Klient zu Selbstabwertungen und wachsenden Grübeleien, was das Trauma eher noch verstärkt.
Kurz gesagt übt der SE-Therapeut mit dem traumatisierten Menschen die Fähigkeit ein, die körperlichen Empfindungen von Erstarrung und Gelähmtheit zu fühlen, ohne davon überwältigt oder retraumatisiert zu werden. Peter Levine: „Wenn wir imstande sind, mit dieser todesähnlichen Leere wie kurz auch immer in Berührung zu kommen statt davor zurückzuschrecken, löst sich die Erstarrung.“
Eine Weiterentwicklung von SE ist die NARM-Methode, die von Laurence Heller, einem Schüler vom Peter Levine, speziell für Entwicklungstrauma entwickelt und in dem Buch Laurence Heller, Aline Lapierre: Entwicklungstrauma heilen dargestellt wird.
Peter A. Levine: Sprache ohne Worte, Kösel Verlag, 2011, 448 Seiten, 29,99 €