Stefanie Stahl: Das Kind in dir muss Heimat finden

Stefanie Stahl ist mit diesem Ratgeber zum Thema Bindungsangst und Selbstwertgefühl der große Wurf gelungen. Mit ihrem fünften Buch zu diesem Themenkomplex ist sie auf der Höhe der Zeit, betreibt eine sachkundige Analyse und hilft mit den besten und effektivsten Therapiemethoden, die auch eine lang anhaltende Wirkung versprechen. Besser ist nur noch Einzel- und Gruppentherapie.

Dieses Buch hat wirklich viele Vorteile: Ich kann meine leichte bis mittelschwere Neurose selbst heilen, indem ich dieses Buch lese und die Übungen in diesem Buch konsequent anwende. Und das beste daran: Ich habe viele Aha-Effekte (lerne also dazu), kann meinen Maltrieb ausleben, indem ich mein Schatten- und mein Sonnenkind male, habe Spaß an der Selbstreflektion und der Selbsterkenntnis und bekomme auch noch Tipps, was ich tun kann, wenn meine Störung ein wenig schwerer sein sollte (Stichwort Focusing bei Fällen, wo ich wenig bis nichts mehr spüre).

Ich gehe mit der Autorin konform, wenn sie behauptet, dass das Selbstwertgefühl der Schlüssel zur Lösung fast aller Probleme ist. Kann man über die vier Grundbedürfnisse Bindung, Autonomie, Lustbefriedigung und Anerkennung noch streiten, ist die Analyse des Grundkonflikts zwischen Autonomie und Bindung brilliant und richtig. In einem glücklichen Leben gelingt die Balance zwischen den Bedürfnissen nach Autonomie (also Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung, Freiheit, Selbstausdruck etc) und Bindung (also Abhängigkeit, Konfliktfähigkeit, Nähe, Vertrauen, Liebe etc). Zitat von Stefanie Stahl: „Im Idealfall erfüllen die Eltern sowohl die kindlichen Bedürfnisse nach Bindung und Abhängigkeit als auch nach freier Entfaltung und Selbstständigkeit. Kinder, die so aufwachsen, erwerben Urvertrauen, also ein tiefes Gefühl der Sicherheit, das sich sowohl auf die eigene Person als auch auf die Verlässlichkeit zwischenmenschlicher Beziehungen bezieht.“

Da wenig Eltern ideale Eltern waren, haben wir es in vielen Fällen mit einer Selbstwertproblematik zu tun, die sich bestimmter Schutzstrategien bedient, um diese miesen Gefühle zu kompensieren. Ein großer Dank gebührt dieser Autorin, dass sie sich die Mühe gemacht hat, diese zahlreichen Schutzstrategien von der Realitätsverdrängung über das Helfersyndrom bis hin zum Narzissmuss zu beschreiben und Lösungen anzubieten. So kann sich jeder Neurotiker darin wieder finden und wird so zu Selbsterkenntnissen geführt. Sehr zahlreich sind auch die Übungen für dein Schattenkind, denn nur über die Konfrontation mit deinen Schatten kannst zu den Schatzstrategien gelangen, die dich zum Sonnenkind führen.

Für besonders hartnäckige Fälle von Beratungs- und Therapieresistenz hat Stefanie Stahl auch den Trotzkindern ein Kapitel gewidmet, die ihr Leben lang im Widerstand gegen Ratgeber jeder Art sind. Die trotzige Verweigerungshaltung gegen die ganze Welt lässt viele Trotzkinder weit unter ihren Möglichkeiten bleiben und führt so natürlich nicht zu einem guten Selbstwertgefühl. Was man da machen kann? Hier die Antwort von Stefanie Stahl: „Versuche im Kontakt mit Menschen immer wieder in dich selbst hineinzuspüren, und frage dich dabei, wie es dir gerade geht und was du gern sagen oder machen würdest. Spüre auch ganz bewusst, wie stark im Beisammensein mit anderen dein Programm anspringt, es ihnen möglichst recht zu machen.“ Trainiere also deine Wahrnehmung und achte auf deine Bedürfnisse und sage „Ja“, wenn du zustimmst und sage „Nein“, wenn du ablehnst. Alles ist besser als ein schwammiges „Jein“ und ein indirektes „um den heißen Brei herum schleichen“.    

Stefanie Stahl: Das Kind in dir muss Heimat finden (Arbeitsbuch): In drei Schritten zum starken Ich, Kailash, 128 Seiten, 15 €

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